Pressemitteilung vom 02.11.2020

Die Medinetze und -büros aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kündigen für den 06.11.2020 einen überregionalen Aktionstag an.

Mit verschiedenen Aktionsformen wollen sie auf die aktuellen Missstände im deutschen Gesundheitssystem aufmerksam machen, insbesondere im Bezug auf die Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung.

Dass das deutsche Gesundheitssystem vor allem gegenüber Randgruppen der Bevölkerung nicht solidarisch ist, wissen wir nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie.“, so eine Aktivistin des Medinetzes Leipzig. „Doch seit der Corona-Pandemie zeigt sich die Dringlichkeit des Problems so deutlich wie nie zuvor. Dass es überhaupt Menschen gibt, die in Deutschland nicht krankenversichert sind, ist vielen gar nicht bewusst.

Doch zum Beispiel Wohnungslose, Menschen aus dem EU-Ausland, Asylsuchende und viele andere Gruppen haben hier kaum oder gar keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung.“ Das Statistische Bundesamt gab für das Jahr 2019 eine Zahl von rund 61.000 Unversicherten mit deutscher Staatsbürgerschaft oder gültigem Aufenthaltstitel an. (1)

Wissenschaftliche Untersuchungen gehen außerdem davon aus, dass sich 2015 etwa 180.000 bis 520.000 Menschen ohne Papiere in Deutschland aufhielten. (2)

Wenn Menschen es aus Angst vor hohen Kosten oder rechtlichen Konsequenzen vermeiden, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, führt dies zu vermeidbaren Verschlimmerungen und Chronifizierungen von Erkrankungen.

In ganz Deutschland arbeiten die Medinetze und -büros seit Jahren praktisch und politisch daran, diesen Missstand zu beheben. Sie engagieren sich ehrenamtlich, um für Menschen ohne Krankenversicherung medizinische Versorgung zu vermitteln. Aber ihr langfristiges Ziel ist ein anderes. „Es kann nicht Aufgabe eines ehrenamtlichen, spendenfinanzierten Vereins sein, die Gesundheitsversorgung eines ganzen Teils der Bevölkerung zu ermöglichen. Diese Aufgabe sehen wir beim deutschen Staat“, so ein Mitglied des neugegründeten Medibüros Chemnitz. Ein mögliches Konzept, um für Menschen ohne Krankenversicherung möglichst niedrigschwellige medizinische Versorgung zu ermöglichen, ist ein sogenannter Anonymer Behandlungsschein, der von unabhängigen, öffentlich geförderten Stellen ausgegeben wird. Diese Stellen ermöglichen es Betroffenen, anonym und kostenfrei Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig wird über eine Clearingberatung versucht, gemeinsam mit den Menschen einen Weg in die medizinische Regelversorgung zu finden.

In Thüringen bewährt sich dieses Konzept bereits seit 2017 landesweit; seit 2019 gibt es ein ähnliches Projekt in der Stadt Leipzig. In Sachsen-Anhalt und Sachsen arbeiten Mitglieder der dortigen Medinetze und -büros gerade an der Umsetzung ähnlicher Projekte auf Landesebene.

„Mit einem Anonymen Behandlungsschein wären längst nicht alle Misstände des deutschen Gesundheitssystems beseitigt“, gibt ein Aktivist des Medinetzes Halle zu. „Aber für viele Menschen, die sich im Moment nicht darauf verlassen können, dass sie Zugang zu einer Behandlung hätten, wenn sie krank werden, würde die Einführung eines solchen Projekts eine massive Verbesserung der Situation bedeuten. Mit dem Aktionstag möchten wir auf unsere Initiative aufmerksam machen.“

In den Städten Chemnitz, Leipzig, Dresden, Halle, Magdeburg und Jena haben sich die Medinetze und -büros Gedanken zu verschiedenen Formaten gemacht, um Menschen auf die Arbeit der Vereine und die Situation unversicherter Menschen in Deutschland aufmerksam zu machen.

Durch den erneuten Lockdown wurden einige Anpassungen der geplanten Aktionen notwendig, so findet z.B. in Chemnitz ein unter Beachtung der Hygienevorschriften geplanter Informationsabend mit Filmvorführung NICHT statt. Eine Radiosendung mit Radio T wird jedoch am 04.11. zwischen 20 und 21 Uhr wie geplant ausgestrahlt. In Dresden wird es am 06.11. eine Onlineinformationsveranstaltung zum Thema Seenotrettung und Gesundheitsversorgung von Geflüchteten in Zeiten von Corona geben. Das Medinetz Halle wird vom 02. bis 06.11. jeweils von 13 bis 15 Uhr Beiträge auf Radio Corax senden, vom MediNetz Jena erscheint ein zweistündiger Beitrag am 06.11. im Radio OKJ und das Medinetz Leipzig stellt (nebst einem Radiobeitrag mit Radio Blau am 06.11. zwischen 17 und 19 Uhr) eine Interviewserie mit der Fragestellung: Visionen für ein solidarisches Gesundheitssystem auf Youtube zur Verfügung. Wir laden Journalistinnen und Journalisten herzlich zur Berichterstattung ein.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Eckdaten des Aktionstages

Chemnitz:

– vorab Radiosendung mit Radio T (04.11. 20-21 Uhr)

– Informationsabend mit Filmvorführung VERSCHOBEN

Leipzig:

– Interviewreihe zum Thema „Visionen für ein solidarisches Gesundheitssystem“ – auf Youtube verfügbar https://www.youtube.com/channel/UC6x3C7taN9K21hrqIPBWDqA?view_as=subscriber

– Radiobeitrag auf Radio Blau am 06.11. zwischen 17 und 19:00

Dresden:

Gesprächsrunde online zu Seenotrettung und Gesundheitsversorgung von Geflüchteten in Zeiten von Corona https://www.medinetz-dresden.org/2020/10/26/solidaritaet-im-gesundheitswesen-aktionstag-am-6-11-2020/ bzw. ab 19:30 Uhr über Crowdcast: https://us02web.zoom.us/j/84023468324

Halle/Saale:

Sendung im Radio Corax 13-15 Uhr 02.-06.11.2020

Jena:

Interview im Radio OKJ mit einem Vorstandsmitglied sowohl des Anonymen Krankenschein Thüringens als auch des MediNetz Jena e.V. und einem weiteren MediNetz-Mitglied (06.11. 15-16 Uhr)

Zeitschiene:

02.-06.11. je 13-15 Uhr Radio Corax https://radiocorax.de/

04.11. 20-21 Uhr Radio T https://www.radiot.de/

06.11. 15-16 Uhr Radio OKJ https://radio-okj.de/

06.11. 17-19 Uhr Radio Blau https://www.radioblau.de/stream/

06.11. 19.30 Uhr Online-Gespräch https://us02web.zoom.us/j/84023468324

Pressekontakt:

Medinetz Halle/Saale e.V. : mail@medinetz-halle.org 0152 15930043  

Medinetz Leipzig e.V.: c/o CABL e.V. Taubestraße 2 04347 Leipzig 0176 61727501

Medinetz Dresden e.V.: medinetzdresden@gmx.de 0177 1736781  

Medinetz Jena e.V.: kontakt@medinetz-jena.de c/o Fachschaft Medizin Universitätsklinikum 07740 Jena 0157 87623764    

Medibüro Chemnitz e.V.: kontakt@medibuero-chemnitz.org 0179 7275686

(1) StBA – Statistisches Bundesamt (2019). Weniger Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. Pressemitteilung Nr. 365 vom 15.September 2020. Abzurufen unter:https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/09/PD20_365_23.html

(2) Vogel, Dita (2016). Kurzdossier: Umfang und Entwicklung der Zahl der Papierlosen in Deutschland. Fachbereich 12. Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung. AbIB-Arbeitspapier 2/2016. Abzurufen unter: http://docplayer.org/49503644-Kurzdossier-umfang-und-entwicklung-der-zahl-der-papierlosen-in-deutschland.html